Der Artikel wurde bei Springer Medizin veröffentlicht und ist nur Ärzten zugänglich, deswegen kein Link sondern Artikel im Original
Zehn Überzeugungen geprüft
Vitamin-D-Supplementation: Viele Effekte sind Mythos
Quelle: SpringerMedizin.de Quellendetails
Was ist dran an den vielen vermeintlichen Segnungen, die mit einer Vitamin-D-Gabe in Verbindung gebracht werden? Kanadische Forscher haben es anhand der Studienlage untersucht. Ihr Fazit: Vor Enthusiasmus wird gewarnt.
Herz-Kreislauf-Leiden, diverse Krebserkrankungen, Diabetes, Knochenbrüche, Depressionen, rheumatoide Arthritis … – wer danach suchte, welche Krankheiten in den vergangenen Jahren mit Vitamin-D-Mangel und entsprechender Nahrungsergänzung assoziiert worden sind, käme mit einer Liste von Störungen, denen das nicht geschehen ist, vermutlich schneller zum Ende.
Mehr als 1600 Studien zu Vitamin D, die Hälfte davon Kohorten- und Beobachtungsstudien, haben Michael Allan von der University of Alberta in Edmonton und Forscherkollegen allein fürs vergangene Jahrzehnt gezählt. „Assoziation bedeutet aber keinen Kausalzusammenhang“, betonen die kanadischen Wissenschaftler. Sie haben die Nachweislage gesichtet und zehn herrschende Überzeugungen anhand der besten verfügbaren Studien auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.
1. „Vitamin D verhindert Stürze“
Die vorhandenen wissenschaftlichen Belege sprechen tatsächlich dafür, dass eine Vitamin-D-Supplementation die Zahl von Stürzen bei älteren Menschen reduziert. Wahrscheinlich sinkt auch die Zahl der stürzenden Personen; die Ergebnisse für diesen Endpunkt sind aber zweifelhafter. (Basis: 3 Beobachtungsstudien, 8 Metaanalysen)
2. „Vitamin D verhindert Knochenbrüche“
Die belastbaren Nachweise zeigen eine offensichtliche Reduktion von Frakturen bei mäßigen Dosen von Vitamin D (≥ 800 IU/Tag) zusammen mit Kalzium in niedriger oder mittlerer Dosis (etwa 500 mg/Tag). Die Zahl von Knochenbrüchen sinkt um ungefähr 10–15%. Ein Ausgangsrisiko von 15% vorausgesetzt, müssten zwischen 45 und 67 Personen zehn Jahre lang täglich Vitamin D und Kalzium zu sich nehmen, um eine Fraktur zu verhindern. (6 systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen)
3. „Vitamin D verhindert Atemwegsinfekte
Es gibt keine Belege, dass Vitamin D Atemwegsinfekten vorbeugen oder deren Häufigkeit senken würde. Jedenfalls gilt das für westliche Länder. Möglicherweise ist ein einiger Nutzen für Kinder in Entwicklungsländern vorhanden, dieser Befund lässt sich aber nicht verallgemeinern. (1 Kohortenstudie, 3 systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen)
4. „Vitamin D hilft gegen Depressionen und erhöht das psychische Wohlbefinden“
Es existieren keine Hinweise auf Vitamin-D-bedingte Verbesserungen der psychischen Lage in der depressionsfreien Allgemeinbevölkerung. Die Daten zu depressiven Patienten widersprechen sich und sind von schlechter Qualität, eine Empfehlung kann nicht gegeben werden. (11 randomisiert-kontrollierte Studien, 4 systematische Übersichtsarbeiten/Metanalysen)
5. „Vitamin D beugt rheumatoider Arthritis vor oder hilft, sie zu behandeln“
Konsistente, verlässliche Belege, wonach sich mit Vitamin D rheumatoide Arthritis verhindern oder behandeln ließe, liegen nicht vor. (1 prospektive Kohortenstudie, 1 randomisiert-kontrollierte Studie)
6. „Vitamin D kann die Therapie von multipler Sklerose unterstützen“
Nach allem, was sich auf der vorhandenen, dünnen Datengrundlage sagen lässt, zeitigt die Supplementation von Vitamin D keinen klinischen Nutzen in der MS-Therapie. (3 Beobachtungsstudien, 3 systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen)
7. „Vitamin D senkt die Sterblichkeit“
Durchgehende statistisch signifikante Effekte in puncto Sterblichkeit lassen sich für Vitamin D zwar nicht finden. Ausgeschlossen ist ein solcher Effekt aber nicht, seine mögliche Größenordnung liegt bei etwa 5%. (2 Beobachtungsstudien, sechs systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen)
8. „Vitamin D reduziert Krebsinzidenz und -mortalität“
Die Inzidenz von Krebs wird durch Vitamin D nicht gesenkt. Der Einfluss einer Vitamin-D-Supplementation auf die Krebssterblichkeit ist weniger klar. Schätzungen, die eine Reduktion der Mortalität nahelegen, beruhen auf Daten geringer Qualität. (1 randomisiert-kontrollierte Studie, 6 systematische Übersichtsarbeiten/Metaanalysen)
9. „Höhere Vitamin-D-Dosen sind besser“
Hochdosis-Gaben von Vitamin D (≥ 300.000 IU) sollten nicht empfohlen werden. Es ist gezeigt worden, dass sie das Sturz- und Frakturrisiko erhöhen. (2 randomisiert-kontrollierte Studien, 1 systematische Übersichtsarbeit)
10. „Der Vitamin-D-Spiegel sollte routinemäßig gemessen werden“
Die Nahrung mit Vitamin D zu ergänzen, ist in der Allgemeinpopulation eine sichere Maßnahme, die keiner Tests bedarf. Tests können aus klinischen Gründen indiziert sein, etwa bei Erkrankungen der Nebenschilddrüsen. Spiegel ≥ 50 nmol/l zeigen an, dass hinreichend viel Vitamin D vorhanden ist. (3 Metaanalysen)
Gegenwärtig unterstütze die Nachweislage eine Supplementation von Vitamin D zur Prävention von Stürzen und Frakturen und zur Senkung der Mortalität – dies vor allem bei über 70-Jährigen, schreiben Allan und Kollegen zusammenfassend. „Andere Effekte sind nicht bewiesen“, konstatieren sie und verweisen auf die mangelnde Qualität und Größe der vorliegenden Studien. Ein Screening der Vitamin-D-Spiegel sei nicht nötig, und die Gabe hoher Dosen solle vermieden werden.
publiziert am: 21.3.2016 7:00 Autor: Robert Bublak Quelle: SpringerMedizin.de basierend auf: Allan GM et al. Vitamin D: A Narrative Review Examining the Evidence for Ten Beliefs. J Gen Intern Med, online 7. März 2016; doi: 10.1007/s11606-016-3645-y